What about… Charles Ives?

25 Jun

Charles Ives, der heutzutage gewissermaßen als Ahnherr der amerikanischen Musik gilt, wurde am 20. Okt. 1874 in Danbury/ Connecticut geboren. Er ist der ältere von zwei Söhnen von George Ives, der selbst Hornist, Kapellmeister und Bankangestellter war. Charles zeigte schon früh eine musikalische Begabung, so debütierte er mit 13 Jahren als Konzertorganist und spielte in der Blaskapelle seines Vaters mit.
Seine frühen Kompositionen, die teilweise von jener Blaskapelle aufgeführt wurden, zeichnen sich vor allem durch ungewöhnliche Klangeffekte aus. Mit 20 Jahren wurde Ives in Yale immatrikuliert, wo er bei Horatio Parker, einem Vertreter der »Bostoner Klassizisten« studierte und als Examensarbeit zwei Sätze seiner 1. Sinfonie einreichte. Während seines Studiums entwickelte Ives zudem ein starkes Interesse für angloamerikanische Literatur.
Erstaunlicherweise machte Ives nach seinem Abschluss die Musik nicht zu seinem Beruf, sondern fing bei der New Yorker »Mutual Life Insurance Company« an – einer (Lebens-)Versicherungsgesellschaft. 1907 schließlich gründete er eine eigene Versicherungsagentur, die später enorme Bedeutung gewinne sollte. Kompositorisch tätig war Ives somit vorwiegend in seiner Freizeit, also bis in den späten Abend oder am Wochenende – vor allem, da er Kunst und Leben deutlich trennen wollte. Eine Folge dieser Doppelbelastung und einer unerkannten Diabetes waren 1918 schwere gesundheitliche Probleme, die letztendlich dazu führten, dass er das Komponieren 1927 ganz aufgab und sich nur noch der Revision seiner Werke widmete. Dass es sich bei Charles Ives jedoch nur einen Amateur- oder Hobbykomponisten handelt, wie dies lange Zeit aus seinen Lebensumständen geschlossen wurde, ist jedoch eine völlige Fehlinterpretation, auch wenn sich Ives insofern widersprüchlich darstellt, als dass er einerseits Kunst und Leben nach außen hin streng getrennt wissen wollte, andererseits in seinen Werke versuchte, beides zu vereinen.
Charakteristisch für Ives Lebensphilosophie sind Pragmatismus, Nonkonformismus und Nostalgie: Immer wieder zeichnet er in seinen Werken ein arkadisches Neuengland des 19. Jahrhunderts oder bezieht sich auf wichtige Orte und Begebenheiten der amerikanischen Geschichte.
Den Zugang beziehungsweise das Verständnis der Werke wird insofern erschwert, dass Dichtung und Essayistik in enger Beziehung zu ihnen stehen, ja sich sein Oeuvre ohne die literarischen Implikationen nicht erschließt. Besonders deutlich wird dies beispielsweise an den »Essays before a Sonata«, die zusammen mit den jeweiligen Werken zu betrachten sind.
Ein weiteres Merkmal seiner Kompositionen ist die Verwendung von Realitätsfragmenten und Zitaten, wobei letztere nicht zwingend wiedererkannt werden müssen, sondern für Ives vielmehr Teil der musikgeschichtlichen Realität darstellen. Ähnlich verhält es sich mit seiner Vorliebe für die Inkorporation von Märschen oder Hymnen, die ebenso als musikalisches Material anzusehen sind und nicht semantisch aufgeladen sind.
In diesem Kontext ist auch das bewusste »Einkomponieren« von usueller Aufführungspraxis zu sehen, also die bewusste Komposition von zum Beispiel unscharfen Einsätzen von Blaskapellen oder unfreiwilligen Schmissen – Erfahrungen, die Ives bereits in seiner Jugend machte und den Einfluss des Vaters widerspiegeln, der selbst mit Klangphänomenen und deren Wahrnehmung experimentierte.

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